Anfang des 20. Jahrhunderts entwarf der russische Architekt Wladimir Schuchow einen Turm aus Stahlverstrebungen, der in seiner Höhe den Eiffelturm überragen sollte, aber nur ein Viertel der Stahlmenge benötigen würde. Ermöglichen sollte dies eine geometrisch ungewöhnliche Bauweise des Turms, bei der sich gerade Verstrebungen gitterartig um kreisförmige Zwischenebenen zu einem
„Rotationshyperboloid“ formen.

Nach dem Schuchow-Prinzip gebaut wurden letztendlich nur wenige Türme – auch weil es jenseits von
Sendemasten, Radio- und Wassertürmen wenig praktische Anwendungsmöglichkeiten gab. „Mit den heutigen digitalen Möglichkeiten in Entwurf, Planung und Fertigung ist es uns gelungen, das Schuchow-Konstruktionsprinzip so zu transformieren, dass es auf komplexere Anwendungssituationen hin angepasst werden kann“, erklärt Alexander Stahr, Professor für Tragwerkslehre an der HTWK Leipzig und Leiter der Forschungsgruppe FLEX (Forschung. Lehre. Experiment).

„Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit minimalem Materialeinsatz lassen sich hocheffiziente gekrümmte Formen verwirklichen.“ Wie das aussehen kann, zeigt die Skulptur „Twisted“ von Lena Salm und Sophie
Seifert.

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Foto: Lena Salm

Die beiden Architekturstudentinnen entwickelten hierfür das Schuchow-Prinzip spielerisch weiter.

Anstelle von Stahl nutzten sie 4 Millimeter dünne Verstrebungen aus Alucobond, einem sehr leichten Verbundmaterial, das sonst für Fassadenplatten verwendet wird. Die Winkel, Durchmesser und Längen der einzelnen Bauelemente wurden am Computer so berechnet, dass sich mit minimalem Materialeinsatz
ein Maximum an Stabilität erreichen lässt.

Maßgeschneidert gefertigt wurden die Verstrebungen schließlich von dem Leipziger Unternehmen BOBO, einem Fachhändler und Verarbeiter für Fassadenplatten. „Twisted“ wurde auf der Designers’ Open 2015 in Leipzig erstmalig präsentiert und beeindruckte dort Besucher und Fachleute. Die Forschungsgruppe FLEX will nun das Konstruktionsprinzip und die ihm zugrunde liegende Entwurfs- und Planungsstrategie weiterentwickeln und Partner für Anwendungsprojekte finden.